Clean Eating ist nicht einfach ein hipper Ernährungstrend unter vielen, aber genauso wie Veganismus oder Low Carb ein echter Verkaufsschlager – mit guten wie schlechten Auswirkungen. Was sagen eigentlich Experten zu dieser Entwicklung? Das ist Thema dieses Expertenbeitrags, für den ich eine tolle, kompetente und sehr nette Ökotrophologin gewinnen konnte: die PR-Beraterin Verena Franke. Verenas Leidenschaften sind gesunde Ernährung, Food-Trends und Social Media. Die beste Voraussetzung also, um über Hypes, Irrtümer und Missverständnisse rund um Clean Eating zu schreiben. Wie ich persönlich Clean Baking definiere, könnt ihr in meinem Buch nachlesen. Zusammengefasst: Sehr ähnlich wie Verena ;-).
Verenas Gastbeitrag: Von Birchermüsli, fancy Oatmeal und echten Pfannkuchen
„Von „cleanem Essen“ habe ich weder in meiner Ausbildung zur staatlich anerkannten Diätassistentin noch im Ernährungswissenschafts-Studium etwas gehört. Trotzdem bediente ich in der Klinikküche allmorgentlich die Getreidemühle, schnippelte Obst, vermengte beides und goss es mit Wasser oder Milch auf. Das Ganze ließ ich etwas stehen und servierte meinen Patienten zum Frühstück dann ihr Vollwert- oder Birchermüsli. Kommt euch das bekannt vor? Heute müsste so etwas ja Oatmeal heißen und in einem fancy Mason Jar mit einem Mandala aus tropischen Früchten und Beeren serviert werden – Instagram und Pinterest sei Dank 😉 . Tja, auch die Vokabeln ändern sich mit den Trends.
Die Vollwerternährung mit ihrem Anspruch, so natürliche und unverarbeitete Nahrungsmittel wie möglich zu essen, ist in der Diätetik ein feststehender Begriff. Im Großen und Ganzen liegt diese Grundaussage auch Clean Eating oder Clean Baking zugrunde. Eigentlich super. Wäre da nicht die Tatsache, dass das Label Clean in den Medien längst zum Verkaufsschlager geworden und im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde ist. So tauchen inzwischen besonders in den sozialen Netzwerken häufig mit „clean“ getaggte Rezepte oder Produkte auf, die für mich herzlich wenig damit zu tun haben. So findet man Protein-Pancake-Mischungen, die Süß- und Zusatzstoffe beinhalten, aber schön unter dem Deckmantel Clean Eating in die Pfanne gehauen werden.
Pancake-Pulver, Süßstoff-Riegel und Co: Verkaufsschlager, aber nicht clean
Eine ellenlange Zutatenliste mit Aromastoffen und Geschmacksverstärkern entspricht definitiv nicht dem Gedanken der Ursprünglichkeit. Fehlender Zucker oder Fett müssen durch künstliche Stoffe ersetzt werden, damit Konsistenz und Geschmack dem Original-Produkt am nächsten kommen. Damit tauscht man etwas Ungünstiges gegen etwas noch Ungünstigeres aus und macht das Produkt unnatürlich – das Gegenteil von Clean Eating. Hinzu kommt, dass viele Menschen zum Beispiel Süßstoffe überhaupt nicht vertragen: Sie bekommen Verdauungsbeschwerden (es gibt manchmal auf den Verpackungen Hinweise darauf).
Dabei kann man Pancakes doch so einfach selber – und ebenfalls gesund – machen! Im Grunde handelt es sich beim Pfannkuchen ja um ein einfaches Gericht, das schon unsere Großmütter kannten. Aus Eiern, Mehl, Milch, Zucker. Ein guter Anfang wäre doch, wenn man Dinkelvollkornmehl statt Weißmehl und ganz wenig Zucker bzw. alternative Süßungsmittel anstelle von Zuckermassen nehmen würde. Vielleicht fügt man dem Teig noch ein paar Leinsamen hinzu und erhöht so den Ballaststoffgehalt und damit verbunden das Sättigungsgefühl. Ein paar frische Früchte dazu sorgen für reichlich Vitamine und Mineralstoffe und ein größeres Volumen, was über eine größere Magendehnung und die damit verbundenen Hormonausschüttung zudem für eine schnelle Sättigung sorgt. Beim Clean Baking könnt ihr ähnlich vorgehen – es Bedarf oft nur kleiner Veränderungen und schon wird aus einem „leeren“ Naschwerk ein toller, vollwertiger Snack. Aus meiner Sicht die ideale Herangehensweise, wie man den Grundgedanken des cleanen Essens in den Alltag integrieren und lebbar machen kann.
Wie das eigene Geschmacksempfinden (um)trainiert wird
Es ist doch unsinnig, dann sich manche Menschen mit den Kunstprodukten falsche Gewohnheiten antrainieren. Irgendwann wird man selbst künstliche Süße als lecker empfinden. Aber das ist ja gerade der Knackpunkt und eine Tatsache: Wir können uns andererseits auch antrainieren, weniger Zucker als genussvoll zu empfinden oder beim Mehl mit den kernigeren Varianten zurecht zu kommen. Das macht künstlich „cleane“ Produkte einfach überflüssig und der Geldbeutel freut sich noch dazu. Besonders für Allergiker oder Personen mit einer Lebensmittelunverträglichkeit sind künstlich cleane Produkte auf Grund der vielen Zutaten und damit dem Potential für Allergene sehr selten geeignet.
Mein Tipp: Schaut bitte genau auf die Zutatenliste. Wenn ihr einen darauf Begriff nicht kennt, ist es ein guter Hinweis darauf, dass das Produkt nicht der cleanen Ernährung entspricht. Oft wird bei künstlich cleanen Produkten nur auf die Nährwerte, zum Beispiel den niedrigen Kohlenhydratanteil hingewiesen, worauf diese Nährstoffzusammensetzung beruht, wird durch die Tabelle allein nicht ersichtlich.
Das eigentliche Ziel: Genuss, Geschmack und Gesundheit
Für mich ist Clean Eating keine Diät, obwohl eigentlich doch, denn Diät kommt aus dem Griechischen und bedeutet Lebensweise und das ist es allemal. Es ist aber weder Diät mit dem Ziel der Gewichtsabnahme noch eine aufgewärmte Ernährungsform noch ein Hype. Es ist eine zeitgemäße Ernährungsrichtschnur, die Genuss, Geschmack und Gesundheit vereint.
Wir haben aktuell die besten Voraussetzungen Clean Eating und Clean Baking nach dem Ursprungsgedanken auszuprobieren. In Bioläden und Supermärkten finden sich zum Beispiel zahlreiche Vollkornmehle, Pseudogetreide wie Quinoa, getrocknete Früchte und Nüsse. Mit etwas Experimentierfreude und einem wachsamen Blick beim Einkauf kann man vermeintlich cleanen Produkte umgehen und wirklich clean backen und kochen. Ich wünsche euch viel Freude beim Entdecken der gesunden und genussvollen Geschmackswelt.
Viele Grüße, Verena
P.S.: Bitte esst den Pfannkuchen oder die Buttercremetorte bei Oma mit vollem Genuss und breitem Grinsen, denn auch das gehört zu einem genussvollen Leben dazu. Wenn Oma mal bei euch zu Besuch ist, dann backt ihr was aus Kathrins neuem Buch und wartet ihre Reaktion ab… 😉