Vollwertkuchen, vollwertige Kekse und Co haben nicht gerade das allerbeste Image. Das sei doch nur „Körnerfraß“, staubtrocken und langweilig, hört man immer mal wieder. Meiner Erfahrung nach kommt es beim Vollwert-Backen (wie beim „normalen Backen“ auch) aber vor allem auf das konkrete Rezept an, ob vollwertige Süßigkeiten schmecken oder nicht. Um mehr über Vollwertbacken ohne Zucker, Weißmehl und konventionelle Backzutaten herauszufinden, habe ich mich mit Anne Bieback unterhalten, die das Buch „Süßer Vollwertgenuss“ geschrieben hat (alle Bilder stammen aus dem Buch; weitere Backbücher mit vollwertigen Rezepten findet ihr hier).
Die 49-Jährige ist eher zufällig zum Vollwert-Backen gekommen, als sie für sich und ihre Kollegen eine Ernährungsberatung organisieren wollte. Seit einigen Jahren lebt sie nun nach der vitalstoffreichen Vollwerternährung – wenn auch nicht dogmatisch. „Aber ich habe sehr schnell gemerkt, wie ich mich fitter gefühlt habe. Und mein schwerer Heuschnupfen, den ich 12 Jahre lang hatte, sowie mein Asthma sind innerhalb eines Jahres verschwunden.“ Sie machte eine Ausbildung zur ärztlich geprüften Gesundheitsberaterin GGB, gibt inzwischen Kochkurse und hält Vorträge. Das Gespräch mit Anne Bieback ist Teil meiner Reihe “5 Fragen an…”, bei der alle möglichen Back-Menschen im Mittelpunkt stehen – Buchautoren, Hobby-Konditoren, Blogger und viele mehr.
1. Was bedeutet „Vollwert“ eigentlich genau?
Anne Bieback: Der Grundsatz lautet: Lasst die Nahrung so natürlich wie möglich. Also lieber einen ganzen Apfel essen als das Teilprodukt Apfelkompott oder gar Apfelaroma verwenden. Es gibt drei Hauptfaktoren, die die Gesundheit laut der vitalstoffreichen Vollwerternährung beeinträchtigen können: Fabrikzucker, Industriefette wie Margarine und raffinierte Öle sowie Weißmehl und alle daraus hergestellten Produkte. Eine normale Torte aus z. B. Weizen-Auszugs-Mehl, Margarine und weißem Zucker ist im Grunde der Killer Nummer 1.
2. Mehl, Zucker, Margarine – das sind ja alles Hauptzutaten beim Backen. Was nimmt man denn stattdessen beim Vollwert-Backen?
Anne Bieback: Den drei Backzutaten kann ich gut aus dem Weg gehen, und zwar nicht indem ich sie einfach meide, sondern indem ich sie durch leckere vollwertige Alternativen ersetze. Zuckerarten werden ersetzt durch Honig; raffinierte Fette durch Butter und Sahne; Auszugsmehle durch frischgemahlenes Vollgetreide. Man muss Vollwertgebäck immer noch meist selberbacken. Denn obwohl es inzwischen viel Biogebäck und vegane Süßigkeiten gibt, sind diese oft nicht vollwertig, sondern Fertigprodukte, die man ja möglichst meiden sollte. Ich verwende zum Beispiel auch keine Sojaprodukte. In Getreiden wie z. B. Amaranth, Hafer, Dinkel, Gerste und auch Linsen bzw. Kichererbsen steckt ja ebenfalls viel Eiweiß.
3. Was kommt ganz konkret in den Kuchen, wenn ich gesund und vollwertig ohne Zucker backen will?
Anne Bieback: Zum Süßen nimmt man bei der vitalstoffreichen Vollwerternährung wie schon gesagt fast ausschließlich Honig, am besten Akazienhonig, weil der wenig Eigengeschmack hat. Weitere Süßungsmöglichkeiten bieten süße frische Früchte oder Trockenfrüchte, z. B. Datteln. Statt konventionellem Backpulver mit Phosphaten kommt Weinsteinbackpulver in den Kuchen, statt Gelatine Agar-Agar oder Johannisbrotkernmehl, statt normaler Hefe Biohefe auf Weizenbasis. Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit können damit aber womöglich Probleme bekommen und sollten auf konventionelle Hefe zurückgreifen. An Ölen werden immer kaltgepresste Öle verwendet. Wenn auf Nussmuse zurückgegriffen wird, dann auf jeden Fall Produkte wählen, die wirklich nur aus der reinen gepressten Nuss bestehen und nicht zusätzlich z. B. Palmfett oder Salz enthalten. Getreide sollte man am besten immer frisch mahlen, weil viele Vitamine und Spurenelemente licht- und luftempfindlich sind und bei längerer Lagerung des Mehls größtenteils verloren gehen.
4. Kann ich die Zutaten in meinen normalen Backrezepten einfach durch vollwertige Produkte ersetzen?
Anne Bieback: Normale Rezepte eins zu eins umzusetzen funktioniert meist nicht, weil man dann das typisch harte und trockene Vollwertgebäck bekommt, das niemand haben will. Besser ist es, Rezepte zu nehmen, die auf die Vollwerternährung zugeschnitten sind. Einiges funktioniert nämlich etwas anders. Grundsätzlich braucht man zum Beispiel statt 100 Gramm Zucker 70 Gramm Honig; Teige mit Vollkornmehl brauchen je nach Mehlsorte und Mahlgrad mehr Flüssigkeit; Kekse mit Honig werden anders als Kekse mit Zucker zum Beispiel erst dann hart, wenn sie abgekühlt sind.
5. Was mich als letztes interessiert: Ist vollwertiges Gebäck für Sie nun wirklich Genuss oder nur ein Ersatz?
Anne Bieback: Auf keinen Fall ein Ersatz, im Gegenteil. Wer sich vollwertig ernährt, merkt schnell, dass das, was man kaufen kann, viel zu süß ist. Der Geschmack wird viel sensibler. Natürlich sieht eine normale Torte oft sehr schön aus, da sie durch die Verwendung vieler Produkte, die in der vitalstoffreichen Vollwerternährung nicht benutzt werden, mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Aber auch Vollwertgebäck ist sehr aromatisch. Inzwischen ist es für mich eine echte Aufwertung, Vollwertkuchen zu essen.
Backrezepte für vollwertige Kuchen und Kekse
Nach der „Theorie“ – den Tipps und Tricks zum Vollwertbacken – kommt jetzt die Praxis 🙂 . Habt ihr schon Erfahrungen mit Vollwertrezepten gemacht und wenn ja, welche? Ich habe noch nicht viele vollwertige Backrezepte auf dem Blog; zumal gerade die vitalstoffreiche Vollwerternährung ja sogar auf alternative Süßungsmittel wie Agavendicksaft verzichtet. Empfehlen kann ich euch meinen leckeren Cashew-Kuchen mit Dattelkaramell, der (je nach Auslegung des Vollwertbegriffs) vollwertig, vegan und raw ist; die Haferflockenkekse sind vollwertig nur mit Banane gesüßt. Aus dem Buch von Anne Bieback und Christiane Wolfram hier noch ein leckeres Rezept für eine Schoko-Kirsch-Torte:
Vollwertige Schoko-Kirsch-Torte
Zutaten
Für den Teig
- 150 Gramm Butter
- 150 Gramm Honig
- 150 Gramm Weizen fein gemahlen
- 75 Gramm Mandeln grob gemahlen
- 2 Teelöffel Backpulver
- 1 Teelöffel Zimt
- 100 Gramm Crème fraiche
- 100 Gramm Äpfel mit der Schale gerieben
- 300 Gramm Kirschen frisch oder TK, entsteint
Zubereitung
- Ofen auf 180 Grad vorheizen. Für den Teig Butter mit Honig schaumig schlagen. Mehl mit Mandeln, Backpulver und Zimt mischen. Das Gemisch abwechselnd mit Crème fraîche und geriebenem Apfel unter den Butter-Honig-Schaum rühren.
- Den Teig in eine gefettete Springform füllen und mit den Kirschen belegen. Die Torte 35 bis 45 Minuten auf der zweiten Schiene von unten backen, danach abkühlen lassen.
- Für den Belag die Sahne fast steif schlagen, Honig und Kakao zugeben und komplett steif schlagen. Die Schokosahne auf dem Tortenboden verteilen und mit frischen Kirschen garnieren.
Noch mehr Tipps zu diesem Rezept
Damit euch dieser Rührteig sicher gelingt, lest euch mein Grundrezept durch. Hier gibt es auch Antworten auf häufige Fragen wie: wann wird Rührkuchen speckig? oder warum gerinnt Rührteig? Hier geht’s zum Rührteig-Grundrezept
Die passenden Zutatenmengen für andere Backformgrößen kannst du mit unserem Umrechner ermitteln.
Hier findest du Tipps, wie und durch was du Zutaten ersetzen kannst.
Und hier könnt ihr das Buch kaufen:
- D’Agostino, Sabine (Autor)
- Bieback, Anne (Autor)
Danke an den Cadmos-Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat! Meine Meinung über das Buch bleibt davon natürlich unberührt.
Hinweis: Dieser Artikel enthält Affiliate Links (was bedeutet das?).
Kannst du mir sagen was das für ein Rezept ist bzw wo ich das Rezept zu den Foto finde was man auf dem letzten Foto sieht, dass unter den Brötchen?
Das sieht so verführerisch aus!
Viele liebe Grüße,
Jesse-Gabriel
Hallo, meinst du die kleinen schokoladigen Teilchen? Das dürften Schokocrossies sein. Die vollwertige Variante der Interviewpartnerin habe ich leider nicht.
Oh wo, so eine schnelle Antwort, vielen Dank!
Oh schade, ich habe gedacht, dass sind so eine Art karamellisierte Mandeln, Nüsse nur Vollwertig.
Danke noch mal!
Viele Grüße und ein schönes Rest Wochenende sendet dir,
Jesse-Gabriel
Sehr gerne! Dir auch ein schönes Restwochenende ?
Super Rezept 🙂 mein Sohn hat morgen Geburtstag und werde ich das Rezept probieren. Danke für die Idee 😉
Hallo,
ich habe den Kuchen heute nochmal gebacken. Diesmal habe ich die TK-Himbeeren auftauen und abtropfen lassen und nach dem Backen auf dem Boden verteilt. Was soll ich sagen, alle waren begeistert von der Torte. Wir werden sie definitiv wieder machen 🙂
Danke dafür und für die schnelle Hilfe!
LG Wiebke
Hallo Wiebke,
dann lag ich also richtig, danke für die Rückmeldung, es freut mich, dass die Torte so gut angekommen ist 🙂
Hallo,
ich habe mit dem Backen nicht wirklich viel Glück, trotzdem versuchte ich dieses Rezept nachzubacken. Ein paar Sachen musste ich austauschen (Dinkelvollkornmehl statt Weizen, Himbeeren statt Kirschen).
Ich habe mich bei den Mengenangaben penibel an das Rezept gehalten doch nun habe ich den Kuchen seit einer Stunde auf der zweiten Schiene von unten, auf 180°C bei Ober- und Unterhitze und nichts passiert.
Ich habe TK-Obst genommen, aber laut Rezept sollte das kein Problem darstellen.
Seit 10 Minuten habe ich den Kuchen auf 100°C Unterhitze und hoffe so etwas noch zu reißen, bevor er ganz und gar schwarz wird.
Das war zum Glück nur der Probedurchgang, aber was soll ich beim nächsten anders machen?
Mein Sohn feiert am Wochenende seinen Geburtstag und ich würde wirklich gern diese Torte servieren, weil es wirklich lecker klingt…
Liebe und leicht verzweifelte Grüße, Wiebke
Hallo Wiebke,
ich habe deine Frage mal an die Buchautorin weitergeleitet. Was meinst du denn genau mit „nichts passiert“? War der Teig noch zu weich, also zu wenig durchgebacken? Grundsätzlich sind die Mengenangaben für einen Rührteig ja nicht allzu ungewöhnlich und das Rezept sollte eigentlich klappen. Vielleicht liegt es auch an den TK-Himbeeren, die ja sehr stark wässern können. Eventuell solltest du doch besser Kirschen nehmen.
Viele Grüße, Kathrin
Hallo Wiebke,
ich bin die Mitautoren von Anne und von mir stammt das Rezept „Schoko-Kirsch-Torte“. Bei mir und auch in meinen Kursen hat das Rezept immer geklappt und alle waren begeistert. 2 Dinge: 1.Mit Himbeeren habe ich die Torte noch nicht gebacken und ich kann mir vorstellen, dass diese zu sehr saften (wie Kathrin schon schreibt). 2.Der Kuchen ist nicht fest, wenn er aus dem Ofen kommt. Das ist beim Backen mit Honig normal. Der Teig am Rand sollte leicht braun sein. Der Kuchen wird dann fester, wenn er kalt ist.
Ein zweiter Versuch lohnt sich, da die Torte super lecker ist. Ich wünsche Dir viel Erfolg!
Liebe Grüße
Christiane
Hallo Christiane, danke auch für deine Hinweise, vor allem, was die Konsistenz beim Backen mit Honig angeht.
Hallo ihr beiden,
ich bin schon lange auf der Suche nach einem Rezept für Brot oder/und Brötchen, die mit frisch gemahlenem Mehl (also Vollkornmehl mit allem drum und dran) gebacken werden können. Ich habe schon sehr viele Rezepte ausprobiert, aber die Brötchen oder Brote waren entweder steinhart und trocken oder sehr sehr schwer (im Sinne von nicht luftig). Habt ihr vielleicht ein paar Tipps oder sogar ein Rezept für mich?
Danke im Vorraus 🙂
Hallo, dieses Vollkornbrot wird wirklich toll, du kannst dafür ja die Körner selbst mahlen und schroten: https://www.backenmachtgluecklich.de/rezepte/vollkornbrot-mit-joghurt.html
Von trocken oder hart kann man beim Ergebnis meiner Meinung nach überhaupt nicht sprechen. Aber ich weiß was du meinst, sowas ist mir mit Vollkornrezepten auch schon passiert. Solltest du mein Brot probieren, berichte doch mal wie es geschmeckt hat!
Oh Gott! Jeder Mensch, der sich „vollwärtig“ ernährt, sollte wissen, dass Honig all seine Vitamine verliert wenn man den erhitzt! Der kann sogar schädlich wirken! Also NIEMALS Honig in den Kuchenteig hinzufügen, sondern lieber damit am Ende bestreichen, wenn der Kuchen schon fertig und abgekühlt ist. Man kann ja auch schöne Glasuren mit dem Honig machen
hallo kryss,
ich finde diese aussage sehr vage und denke du beunruhigst die leser nur unnötig!
das lebensmittel (und somit auch honig) ihre vitamine beim erhitzen verlieren stimmt ja, aber die aussage das der honig nach erhitzen schädlich wirkt stimmt so nicht. in honig ist der stoff hmf enthalten, dem aber bisher noch nicht nachgewiesen wurde schädlich zu sein, erstrecht nicht in so geringen mengen wie man ihn beim backen verwendet. also keine Panik!
trinkst du milch? bei der passiert nämlich das gleiche wenn man sie erhitzt (pasteurisierung)
viel spaß allen beim backen mit honig 🙂
Kryss, du hast Recht!
LG Katrin
Hallo Conny, hallo Kathrin,
ganz genau, bei den Rezepten aus unseren Büchern ist das Vollkorn vor dem Gebrauch immer frisch gemahlen. Wer (noch) keine Getreidemühle besitzt, und Mehl auf Vorrat haben möchte, kann sich im Biosupermarkt oder Reformhaus Getreide mahlen oder mahlen lassen und dieses einfrieren. Es bleibt streufähig und Einfrieren ist die Konservierungsmethode, die die Vitalstoffe, wie z. B. die Vitamine, am besten erhält. Die meisten Vitamine vertragen Licht und Sauerstoff nämlich nicht so gut und gehen teilweise schon nach einigen Wochen verloren.
Viel Spaß beim Backen wünscht euch Anne
Ich habe eine Frage zum Vollwertrezept: Ist fein gemahlener Weizen = Weizenmehl? Wenn nein, woher bekommt man fein gemahlenen Weizen?
Danke 🙂
Hallo Conny, ich bin ja nun auch (noch) keine Expertin, aber meiner Meinung nach handelt es sich um selbst gemahlene Weizenkörner. Wenn du keine Getreidemühle hast, kannst du dir den Weizen auch in manchen Bioläden o.ä. frisch mahlen lassen – oder du kaufst fertiges Weizenvollkornmehl, das ist dann zwar nicht ganz „perfekt“, aber du bekommst es in normalen Supermarkt.